#10jahreITS (Oktober-Workshop 2021): "Islam in der Praxis – Praxis im Islam"
Islamisch-religiöse Praxis wird in der islambezogenen Forschung oftmals mit Praktizieren der Religion gleichgesetzt und häufig auf die Einhaltung religiöser Gebote wie Beten und Fasten und die Anwendung der Kategorien Ḥalāl und Ḥarām begrenzt oder lediglich im Zusammenhang mit Ritualen und populärem Volksglauben erforscht. Durch diesen Blick erscheinen Praxen von Muslim_innen entweder als Ausdruck normativen religiösen Wissens ohne eigenständigen Analysewert oder als von religiösen Normen und Sinngebungen losgelöste Formationen. Es eröffnen sich allerdings vertiefende Perspektiven auf die islamisch-religiöse Praxis und insbesondere ihre theologischen Dimensionen, wenn man sie als umfassende sozial geteilte Praxen begreift, die durch implizites, methodisches und interpretatives religiöses Wissen zusammengehalten werden. Mit dieser Perspektive können Untersuchungen über religiöse Texte, Strukturen und Institutionen sowie empirische Forschungen über Einstellungen, Motivationen und Ziele in den Handlungen von Muslim_innen ergänzt werden durch die Analyse der Praxis von Muslim_innen.
In diesem digitalen Workshop sollen analytische Schlüsselkonzepte sowie Ansätze in den Blick gerückt werden, die Routinen und Rituale in den Praktiken, das Wissen von angemessenen und unangemessenen Handlungen sowie körperliche Aspekte wie Embodiment und Emotionen beleuchten. Geleitet von der Annahme, dass über sinnvolles Verstehen von religiösen Quellen durch Muslim_innen grundsätzliche Deutungsweisen von religiösen Quellen und Handlungen beeinflusst werden, wird hier also ein besonderer Blick auf die theologische Relevanz der religiösen Sinngebung in und durch die Praxis geworfen. Des Weiteren soll diskutiert werden, wie die vielfältigen Verflechtungen von Praxis und Norm in der Forschung gebührend berücksichtigt werden können, wie dieses Wissen zirkuliert und wie hierbei Formen der Autorisierung vonstattengehen. Dieser Blickwinkel auf die islamisch-religiöse Praxis ermöglicht es, gezielter Fragen zur Lebensführung, zu religiösen Gemeinschaftsformen oder zum Umgang mit sozialethischen Fragen aus einer dezidiert empirischen Perspektive, die an den Subjekten ansetzt, zu untersuchen, und damit Forschungen zu normativen Ordnungen zu ergänzen.
Leitung:
- Dr. Raida Chbib (AIWG, Universität Frankfurt)
- Dr. Ayse Almila-Akca (Humboldt-Universität zu Berlin)
Link zum Programm:
Link zum Workshop-Bericht:
Link zur Panel-Einleitung von Dr. Chbib und Dr. Akca sowie zum Key-note von Dr. Akca:
Link zum Vortrag von Leonie Stenske "Islamische Speisepraktiken und warum nicht alle Muslim*innen gleich essen":