Projektwerkstatt "Kanon und Zensur"
Kanon und Zensur in der islamischen Ideen- und Theologiegeschichte
Da sich in der islamischen Ideen- und Theologiegeschichte keine theologienormierende Institution gebildet hat, stehen Theolog*innen nicht selten vor der Herausforderung, eine verbindliche Position für eine theologische Frage aus „der islamischen Tradition“ abzuleiten. Um Argumente und Positionen zu begründen, werden im Fachdiskurs Texte angeführt und Personen zitiert, deren Verbindlichkeit auf Grund einer ungenau definierten Repräsentativität oder Autorität behauptet wird.
In der islamischen Ideen- und Theologiegeschichte fehlt derzeit noch eine systematische Aufarbeitung der komplexen (historischen) Vorgänge, wie Personen und Texte zu einer ihnen zugeschriebenen Verbindlichkeit gelangen. Diese Vorgänge können/müssen als Prozesse der Kanonisierung und Zensur verstanden werden, welche im theologischen Diskurs das Sagbare sowie die Norm bestimmen und das Verbotene sowie die Ausgrenzung markieren.
Ziel der Projektwerkstatt ist es, einen Beitrag zur Erforschung von „Kanon und Zensur in der islamischen Ideen- und Theologiegeschichte“ zu leisten. Dabei legt sie den Fokus darauf, wie Texte, Positionen sowie die dahinterstehenden Personen ihre behauptete überzeitliche Gültigkeit beziehungsweise Autorität erlangen oder verlieren, und welche strukturellen sowie institutionellen Faktoren zur Etablierung beziehungsweise Verdrängung, aber auch zur Pflege dieses Anspruchs beitragen.
Mit der Erforschung von Kanonisierungs- und Zensurprozessen möchte das Projekt den Anstoß zu einem bewussten Umgang mit dem intellektuellen Erbe muslimischer Gesellschaften und Kulturen geben. Dazu werden mehrere Fallstudien aus verschiedenen Disziplinen der islamischen Theologie durchgeführt, die mit ihren Ergebnisse zukünftige Studien und Forschung auffordern, klare Kriterien für die Auswahl von Ideen, Denkern und Texten aufzustellen, die als „klassisch“, „kanonisch“ oder „normativ“ gelten können.
Muslime in Deutschland zeichnen sich durch eine hohe Pluralität und Diversität aus, die sich auch in den Glaubensvorstellungen und -auslegungen niederschlägt. Das Projekt wird mit den angestrebten Einzelfallstudien aufzeigen, dass sich „die islamische Tradition“ aus mehreren unterschiedlichen und teils zeitgleichen verbindlichen Wissensbeständen konstituiert, deren Vielfältigkeit es heute weiterzuführen gilt.
Am Ende der Projektlaufzeit findet eine internationale Tagung statt. Eine Publikation der Beiträge in einem Sammelband wird Arbeitsergebnisse dokumentieren und als Grundlage für zukünftige Studien dienen.
Call for Papers International Conference "Canon and Censorship", 8.-10.10.2021, Berlin
Diese AIWG-Projektwerkstatt wird gemeinsam mit Bacem Dziri, Institut für Studien der Kultur und Religion des Islam, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt und Prof. Dr. Amir Dziri, Schweizerisches Zentrum für Islam und Gesellschaft, Universität Freiburg i.Ü. durchgeführt.
Projektdauer: 01. November 2020 bis 31. Oktober 2021
wissenschaftliche Mitarbeiterin: Iman Zayat M.A.
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